Das Zeugnisheftchen der Berufsschule wurde üblicherweise beim Klassenlehrer aufbewahrt und wir kriegten es nur in die Hand, wenn es bei der Post und bei den Eltern unterschrieben werden musste. Ein wichtiges Dokument, und ausgerechnet das habe ich einmal bei einer Familienheimfahrt im Zug liegenlassen. Wahrscheinlich haben wir die Noten verglichen, herumgekaspert und wahrscheinlich waren bei der Heimfahrt auch wie üblich ein zwei Seidla mit dabei.
Große Aufregung, meine erste Angst war, was passiert jetzt bei der Schule und beim Lehrherrn mit mir. Am Samstag telefonierte ich mit Hilfe meines Vaters die Bahnstrecke von Nürnberg bis Kronach durch, und tatsächlich kam die Erlösung: Das Zeugnis war gefunden und wartete im Bahnhof Nürnberg auf mich.
Jetzt kam die nächste Angst: Wenn ich das Zeugnis abhole, wieviel muss ich dann von meinem kargen Taschengeld an Finderlohn bezahlen? Aber auch da kam die Erlösung, denn der nette Fahrdienstleiter sagte, er hätte hineingeguckt und meine Noten wären so gut, dass die Bahn darum auf den Finderlohn verzichtet.
Ausgerechnet im strengen Winter 1968-69,  auch die allerhärtesten Burschen haben sich von der Mutti lange Unterhosen schicken lassen, waren wir im Ausbildungsabschnitt "Oberirdischer Lehrbautrupp", buddelten im gefrorenen Boden Mastlöcher, bauten Linien und Hausanschlüsse und wenn da nichts zu tun war, hieß es "Maste prüfen" in den eiskalten Wäldern rund um Schwabach.

Unser "Fahrer" war der Herr P., vielleicht nicht der fachkundigste, aber ganz bestimmt einer der humansten Ausbilder der gesamten Lehrwerkstatt. Von "oben" wurde er für seine menschliche Einstellung oft getreten - und wir Stiften nutzten seine Gutmütigkeit schamlos aus, vor allem wenn wir ihm in diesem Winter ausgiebige Aufwärmpausen im VW-Bus mit der schönen Standheizung abschwatzten, oder eine extralange Mittagspause im warmen Wirtshaus.
Einmal machten die Kollegen PB und KB einen Hausanschluss und husteten auf der Leiter so laut und so lang, bis endlich die Hausfrau mit Tee und einer Tüte Hustenbonbons herauskam. Die zwei haben das dann im Auto immer wieder ausführlich erzählt, bis der Herr P. verstanden hatte - ab dem nächsten Tag waren im Auto immer Hustenbonbons "mit schönen Grüßen von meiner Frau" (die uns übrigens auch oft mit selbstgebackenen Sachen verwöhnte).
Der Herr P. war ein seltener Gelegenheitsraucher. Einmal hatte er eine 12er-Packung HB, rauchte eine Zigarette und legte die offene Schachtel ins Auto. Die zwei Raucher an Bord stibitzten sich natürlich bei nächster Gelegenheit sofort jeder eine Zigarette, und als die Schachtel am Tag drauf immer noch da war, nochmal eine, und das auch am dritten Tag. Am vierten Tag war nun die Schachtel halb leer und die zwei sagten sich, das fällt jetzt aber auf. Was tun? Sie ließen die Zigarettenschachtel einfach ganz verschwinden.

Seite 20 von 62

Zum Seitenanfang