Nicht ohne einen gewissen Stolz trug der Fernmeldelehrling seinen Dienstausweis mit sich herum. "Alle antreten zum fotografieren" hieß es einmal, und ein paar Wochen später kriegte man dieses wichtige Papierchen mit Bild und Bundesadler ausgehändigt.
Die Erkenntnis, dass der Dienstausweis wirklich etwas sehr bedeutsames war, also dass man schon als kleiner 14-jähriger Lehrling einen richtigen amtlichen Behördenausweis der Bundesrepublik Deutschland in der Tasche hatte, diese Erkenntnis traf mich erst ein paar Monate danach. Da feierte ein "Großer" aus der Nachbarschaft seine Einstellung bei der Polizei. Zu fortgeschrittener Stunde wollten wir seinen Sheriff-Stern sehen, und was zog er da ganz wichtigtuerisch und geheimnisvoll heraus? Nichts anderes als genau den gleichen Ausweis, den ich auch dabei hatte. Mit seiner Angeberei war es da aus - und ich gehörte jetzt auch -wenigstens ein bischen- zu den "Großen".
Dass ich den Dienstausweis dienstlich gebraucht hätte, wüsste ich eigentlich nicht. Auch später, als ich dann viel in Kasernen usw. zu tun hatte, war es oft bequemer, schnell die Zigarettenschachtel hoch zu halten, um rein zu kommen. Man hätte aber mit dem Dienstausweis kostenlos im Post-Omnibus fahren können (sowas gab es damals noch, leider aber nicht auf meinen Strecken), man konnte in jedem Postamt umsonst telefonieren (war schon interessanter bei den damaligen Ferngesprächsgebühren) und man konnte mit dem Ausweis vor allem in die "Schwemm", die gefürchtete Bundesbahn-Kantine unter dem Hauptbahnhof (zwar schmuddelig und ungemütlich, aber billig und die Gläser immer randvoll).
Beim "Schickedanz" gab es mit Ausweis ordentliche zehn Prozent, und mit einem Hinweis darauf haben wir ihn auch mal bei einem Jeans-Einkauf in der Breiten Gasse vorgezeigt. Hat auch sofort geklappt mit den zehn Prozent, nur ein Kollege erzählte dann, dass man da ganz ohne Ausweis viel mehr Prozente raushandeln könnte.
Was leider nicht funktioniert hat: Mit dem Dienstausweis beim Jimi Hendrix-Konzert in der Meistersingerhalle hinter die Bühne zu kommen.

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