Hitparade der Sinnsprüche
Das unsere Lehrzeit noch ganz massiv vom verstaubten Geist längst vergangener Jahre geprägt war, das konnte man Woche für Woche im Berichtsheft sehen. Unübersehbar zierte das Wochenberichtsblatt nämlich ein manchmal mehr, meist aber weniger gelungener Sinnspruch. Manche dieser Sprüche hörte man ja im sonstigen Leben auch, und manche sind auch heute gültig und heute noch im Sprachgebrauch. Aber ganz viele Sinnsprüche erzeugten damals schon ein verwundertes Kopfschütteln - heute umso mehr. Nicht nur wegen ihres Inhaltes, sondern auch wegen ihrer oft bemüht kunstvollen Reimgestalt.
"Aller Anfang ist schwer" für die erste Lehrwoche ist ja ganz okay, und ebenso "Lehrjahre sind keine Herrenjahre". Aber was soll man davon halten: "Wer den Acker nicht will graben, der wird nichts als Unkraut haben". Oder "Glücklich, wer zuerst sich erzieht, ehe er sich anmaßt, andere zu bessern". Oder "Auch stille sein ist ein gewaltig Werk". Oder ... , ach, lest und erfreut euch selbst daran nach dem Motto aus dem 2. Lehrjahr: "Mit dem was du selbst tun kannst, bemühe nie andere".
Wie gesagt, der verstaubte Geist der Vergangenheit. Durch die meisten Sprüche zieht sich, mal mit dem Holzhammer und mal ganz subtil das Leitmotiv, dass Disziplin und Fleiß alles sind, und unsere Meister dachten eben "Man sichert sich die Zukunft, wenn man die Vergangenheit ehrt" (Originalspruch). Aber 1968 war ja glücklicherweise ganz nahe. Und einer unserer Meister (vermutlich ein heimlicher Rolling Stones-Fan) konnte ganz ganz weit in die Zukunft sehen und ließ uns schreiben: "Ein rollender Stein setzt kein Moos an".
Ein besonders fleissiger Kollege hat sich gedacht, "Taten sind mehr als Worte", er hat beinahe
3000 Blätter aus 60 Berichtsheften der 22 Jahrgänge ausgewertet und die folgende "Hitparade der Sinnsprüche" erstellt.
Platz | Sinnspruch |
Anzahl |
1 | Vorsicht ist nicht Feigheit, Leichtsinn ist nicht Mut | 22 |
2 | Sicher ist der schmale Weg der Pflicht | 19 |
· | Taten beweisen mehr als Worte | 19 |
4 | Anfangen ist leicht, Beharren ist Kunst | 17 |
. | Gutes Werkzeug ist halbe Arbeit | 17 |
6 | Geduld, Vernunft und Zeit macht möglich die Unmöglichkeit | 16 |
. | Was heute nicht recht gelingen will, morgen muß es werden | 16 |
. | Wer gar zuviel bedenkt, wird wenig leisten | 16 |
9 | Dem Leben zu gehorchen, lernt man nicht an einem Tag | 15 |
. | Nur die Sache ist verloren, die man aufgibt | 15 |
. | Sei freundlich gegen jedermann, dann seh'n dich alle freundlich an | 15 |
. | Zur Besserung ist es nie zu spät | 15 |
Im Berichtsheft 2010, jetzt, wo viele von uns schon im wohlverdienten Ruhestand sind bzw. der Rest noch darauf hin arbeitet, könnte stehen: "Das Beste liegt nie hinter uns, sondern vor uns". Oder noch besser: "Frage nicht was Du für Dein Land tun kannst, sondern frage, wie Du Land gewinnst".
Die Sinnsprüche findet ihr im Downloadbereich bei den einzelnen Lehrjahren
Nocheinmal Kantine
Jedesmal, wenn es zuhause marinierte Heringe gibt, denke ich an eine Begebenheit
aus meiner Lehrzeit.
Irgendwann 1968, zu einer Zeit, in der bei anderen Kantinen Auswahlessen längst Normalität war, stand in unserer Kantine in der Preißlerstraße als einzige Mahlzeit marinierter Hering auf dem Speiseplan. Tatsächlich gab es einen extrem saueren Bismarckhering mit einer undefinierbaren bläulichen, widerlich schmeckenden Pampe.
Fast alle Lehrlinge und auch viele Ausbilder haben ihre vollen Teller zurück an den Tresen getragen, wo sie der Wirt Herr G. in Empfang nahm.
Er war schwer beleidigt und ich hörte ihn sagen: „Ihr werdet nochmal froh sein, wenn
ihr ´nen Matjeshering bekommt"!!
Tja Herr G., wäre es nur ein ordentlicher Matjeshering gewesen, ich hätte ihn sicher gegessen.