In der momentanen „besinnlichen“ Weihnachtszeit, in der viele von uns nur noch von Termin zu Termin hetzen, denke ich in einem ruhigen Moment immer wieder mal an unsere Vorweihnachtszeit als Fernmeldelehrlinge beim FA 2 Nürnberg zurück.
Einer der Höhepunkte, wenn nicht sogar „der Höhepunkt“, im Jahresablauf unserer Ausbildungsabteilung war die alljährliche Lehrlingsweihnachtsfeier in der Turnhalle des TV 1846 Nürnberg. In dieser legendären Halle, in der u. a. auch die berühmtberüchtigten Bockbierfeste der Nürnberger Brauereien stattfanden, wurde alljährlich eine gemeinsame Weihnachtsfeier für alle 4 Lehrjahre durchgeführt. Mit dieser Feier wollte man uns junge Burschen nach getaner Arbeit in eine vorweihnachtliche, besinnliche Stimmung versetzen. Das mit der Besinnung hat meistens nicht so geklappt, aber schön war es dennoch.
Für die Organisation war unser Lehrlingsbetreuer Heinz M. verantwortlich. Eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe, denn nicht nur die Lehrlinge, sondern auch die gesamte Postprominenz, in Person des Amtsvorstehers des FA2, sowie des Präsident der OPD Nürnberg waren zu diesen „Event“ immer eingeladen. Entsprechend aufgeregt waren natürlich unser damaligen Abteilungsleiters H..
Mit den ersten Vorbereitungen wurde immer sehr frühzeitig, so Mitte November, begonnen. Wegen dem hohen Besuch wurde nichts dem Zufall überlassen. Schon gar nicht der alljährliche Lehrlingssketsch über besondere Vorkommnisse oder den speziellen Eigenschaften besonders markanter Ausbilder. Das „Drehbuch“ zu diesem Stück, musste vor den ersten Proben erstmal dem Abteilungsleiter zur Genehmigung vorgelegt werden. Als dieser einmal seine Zensur allzu „gewissenhaft“ wahrnahm, weigerte sich die Truppe dieses verhunzte Stück zu spielen. Mehr oder minder unter Zwang wurden sie dann auf die Bühne getrieben und rächten sich auf ihre Weise, in dem sie einfach ihre Urform spielten. Zuerst war dann im Saal die Hölle los, als sich die Lehrlinge herzhaft über die treffliche Charakterisierung der dargestellten Ausbilder amüsierten. Weniger gelacht hat dann an-schließend der arme Heinz M. beim fälligen Rapport im Büro des Chefs.
Wir Musiker, zu denen ich gehörte, hatten es da etwas leichter. Unser alljährliches Programm stand bereits seit Generationen fest. Zum Üben trafen wir uns meist im Duschraum des Hauptgebäudes. Dieser „Probenraum“ lag im Keller, war relativ schalldicht und hatte die Akustik einer Blechdose. Zudem waren die Übungseinheiten, die natürlich während der regulären Dienstzeit stattfanden, ein willkommene Abwechslung zum eintönigen Schruppen unser U-Eisen.
Die Besetzung unser „Band“ war ebenfalls einzigartig. 5 Akkordeons, 1 Gitarrist, (der auf seinem „Drahtgitter“ (O-Ton Pechl), nur einen Grundakkord und das Grundthema von Amorada beherrschte), sowie 1-2 Trompeter und einen Schlagzeuger.

MullerHeute, da alles mit dem PC erledigt wird na sagen wir fast alles, können sich viele nicht mehr vorstellen, dass es Zeiten gab, als noch mit Tusche gezeichnet bzw. geschrieben wurde.
Das Blatt für den Wochenbericht ins Zeichenbrett eingespannt und nun konnte es losgehen.
Auf der Vorderseite in Normschrift die Tätigkeiten der Woche. Normschrift oh weh, da war doch was mit 75 Grad und die Zeichen in einem bestimmten Verhältnis. Zum Glück gab es den Müllerwinkel. Dezent mit einem spitzen Bleistift die Linien gezogen, passend für die Schrift von 2,5 bis 7mm. Schon konnte es losgehen, mit dem Schreiben in Normschrift. Doch zu mehr wie einer 4 in Heftführung langte es bei mir trotzdem nicht.
Doch der Müllerwinkel konnte natürlich mehr, bedeutend mehr.
Es konnten alle Bauteile mit ihm relativ einfach gezeichnet werden. Wie z. B. Transistor, Diode, Schalter, Relais, Röhre um nur einige zu nennen. Schraffieren war auch ganz easy mit ihm. Einen entscheidenden Nachteil hatte er aber doch. Es gab keine „Entf“ bzw. „Del“ Funktion. Einmal vertan oder gepatzt, dann half nur noch die Rasierklinge. Ganz vorsichtig entfernt und ausgebessert. Schon war die 1 in Heftführung wieder in weiter Ferne.

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