Vorweihnachtszeit im Lehrlingsheim Mühlhof/Reichelsdorf 1959. Dort waren alle auswärtigen
Lehrlinge des 1.Lehrjahres 1959/60 und etwa 20 auswärtige des 2.Lehrjahres untergebracht.
Die Freizeit in dieser Jahreszeit war, neben Lernen und Wochenbericht erstellen, angefüllt mit vielen Vorbereitungen für Weihnachten. Die einen waren in der Fotogruppe aktiv, deren Leiter Hartmut F. war, und entwickelten ihre Fotos und stellten Abzüge zum Verschenken her.
Andere waren unterwegs um Glasbrüche zu sammeln und zu bemalen. Von den größeren Glasbrüchen wurden dann mit dem Glasschneider kleinere Mosaikstücke abgetrennt und auf Pressspanflächen aufgeklebt. Diese hatten meist Nierenform und man erhielt einen damals modernen Mosaiktisch mit z. B. einem Motiv aus einem Aquarium. Zwei Lehrlinge stellten sogar einen Mosaiktisch mit einem Schachfeld her. Dieser wurde ein Geschenk für den Heimleiter Karl H. und unseren Lehrlingsbetreuer Eddi W., die sich abends öfter mal ein Schach-Duell lieferten.

huckauf

Wieder Andere trafen sich mit dem Heimleiter Gehilfen Klaus S. um ein Theaterstück ein zu studieren. Es waren 7 Lehrlinge und sie wollten das Stück an der gemeinsamen Weihnachtsfeier vor der Abreise in den Weihnachtsurlaub im Heim aufführen. Das Theaterstück hieß der „Huckauf“ von Herbert Kranz.

Die Kurzbeschreibung macht klar warum dieses Stück ausgewählt wurde: Als man munkelt der Huckauf, der nächtlichen Passanten ins Genick springt, gehe im Dorf um, fürchtet sich das Meisterpaar sehr. Dies nutzt der Lehrling aus und erlaubt sich einen gespenstischen Spaß. Er, der für seinen Fleiß immer nur Anpfiffe und Ohrfeigen erntete, bringt, als Huckauf verkleidet, seine Meister dazu, ihm statt Ärger ein festliches Leben zu bereiten (nach zu lesen in Google, unter: Theaterstück Huckauf). Ein cleverer Lehrling also, was wir ja auch alle waren.
Täglich, auch am Wochenende, wurde geprobt. Einige Tage vor der Aufführung fuhren wir sieben mit Heimleiter und Stellvertreter in`s Opernhaus um uns Kostüme auszuleihen. Das Bild zeigt die Darsteller in ihren Kostümen. Die Weihnachnachtsfeier und die Aufführung des „Huckauf“ fand dann im Speisesaal des Wohnheimes statt. Dazu waren auch der Ausbildungsleiter Kurt H. mit Frau, dessen Stellvertreter Herrn L. mit Frau sowie Eddi W. eingeladen.
Dass die Aufführung ein voller Erfolg war und für viele Lacher sorgte, versteht sich von selbst. Sie sehen also, die Fernmeldelehrlinge waren auch große „Schauspieler“. Zum Film ging aber nach meinem Wissen keiner. Zumindest keiner aus unserer Gruppe.

Der, durch die meist dürftig bemessenen Heimmahlzeiten immer hungrige Heimbewohner, war ständig auf der Suche nach Essen. Man befand sich ja schließlich gerade im Wachstum und wollte nicht als kleiner Wicht enden. So war der werktägliche Kantinengang für ihn der kulinarische Höhepunkt des harten Arbeitstages.
In den 50ern war der Mangel an Kalorien besonders groß und man gönnte sich Mittags ordentliche Portionen, so auch in der Kantine für die Flehrl. Bis der Kantinenpächter eines Tages auf die glorreiche Idee kam, auf Kosten der Lehrlinge in kürzester Zeit zum Millionär aufzusteigen. War dies die „soziale Marktwirtschaft“ ?
Die Portionen wurden immer kleiner, aber nur für die Lehrlinge – wenn ein Meister bzw. Ausbilder kam, der natürlich auch nicht  in der Schlange warten musste, so schrie die Thekenmamsell mit lauter Stimme in die Küche: "Ein Essen für Herrn B., D. oder ..." und schon kam ein prall gefüllter Teller zur Ausgabe. Bei den hungrigen Jungs war der Teller deutlich weniger gefüllt. Manch einer der Heimbewohner wurde ab jetzt nicht mehr satt.
Ein findiger Flehrl merkte, dass man die Essensmarke an der Theke für Wurst und Brötchen eintauschen konnte. Auch wenn es keine warme Mahlzeit war, man wurde wenigstens satt davon.
In kürzester Zeit nahm die Anzahl der Essen stark ab und der Pächter beschwerte sich, seine Million in weiter Ferne rückend sehend, beim Lehrherrn. Das Argument: "zu kleine Portionen" konnten die Ausbilder natürlich, ob ihrer immer vollen Teller, nicht nachvollziehen und es bedurfte schon einer sehr großen Überzeugungskraft seitens der Lehrlinge. Man hat sich dahingehend geeinigt, dass der Pächter erst später Millionär wird und die Lehrlinge bremsten ihren Heißhunger.
Ein weiterer Rückfall wurde in den Mittsechzigern bekannt:
Ein äußerst sparsamer Pächter, vermutlich auch die Million vor Augen, hat den "Kartoffelsalat aus dem Eimer" bei Rückgabe des Tellers nicht ordnungsgemäß entsorgt, sondern „versehentlich“ wieder in den Produktionsprozess einfließen lassen. Aufgedeckt wurde der Prozessfehler durch die Lehrlinge des 3.Lehrjahres.
Da in Etappen gegessen wurde haben die früheren Lehrjahre in ihren übrig gebliebenen Kartoffelsalat manchmal Kronkorken oder Zahnstocher versteckt. Bei der Qualitätssicherung ist dem Pächter dann ein Malheur passiert und der Fremdkörper wanderte wieder auf den Teller und wurde von Essern entdeckt.
Nach einem Riesenkrach und Anschiss durch die Leitung hat sich die Qualität des Kartoffelsalates wieder gebessert.

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